TERRAIN VAGUE

Ana Vujić

 

 

 

In der Einzelausstellung TERRAIN VAGUE zeigt Ana Vujić ihre neuesten Zeichnungen. 

Der französische Begriff terrain vague bezeichnet städtisches Brachland. Die Künstlerin interessieren solche auch umgangssprachlich genannten Unorte, weil sie meistens noch Spuren des Alten beherbergen und gleichzeitig auf das noch nicht bestimmte Zukünftige hinweisen.

Diesen wahrnehmbaren, ungewissen Wandel benützt die Künstlerin als Metapher für ihre Werke und übersetzt es auf das Menschliche und auf die Sicht der eigenen Alltagsumgebung.

Die mit Kohle gezeichneten Protagonisten bewegen sich in schwarzweissen surrealen, zum Umbruch anstimmenden Kulissen.

 


Waiting | 2021 | Kohle auf Papier, 8-teilig, 235 x 560 cm

Ana Vujić und die «existentielle Notwendigkeit von Kunst»

«Vertigo» heisst die Zeichnung von Ana Vujić aus dem Jahre 2021: Ein Pferd befreit sich aus den Fesseln eines Kinder-Karussells und springt davon. Die anderen Tiere haben sich scheinbar bereits losgerissen und sind verschwunden. Das alles spielt sich in einer brachen Landschaft ab – ein schmaler Weg, Geröll, niedriger Pflanzenwuchs; riesige Freileitungs-Masten dominieren die Kulisse. „Vertigo“ – ein falsches Gefühl der Bewegung. Man dreht sich, während sich die Welt um einen herum weiterdreht; oder man steht still und die Welt dreht sich und verhindert den Fokus auf das Wesentliche. Ein Pferd ergreift die Flucht, es entflieht der Gefangenschaft. Ein Gefühl von Einsamkeit, Hilflosigkeit und Panik, gleichzeitig auch Erleichterung, Hoffnung, setzen bei der Betrachter*in ein. Ein gewisses Grad an Unsicherheit drängt sich auf. Wohin sind die Tiere geflüchtet? Wie sieht ihre Zukunft aus?

«Vertigo» – das Motiv auf der wandgrossen, konsequent mit Kohle ausformulierten Zeichnung, ist ein guter Einstieg in Werk und Schaffensprozess von Ana Vujić. Es ist der neugierige, gewagte Sprung ins Ungewisse, ohne den es keine Veränderung, keinen Wandel gibt – weder politisch noch künstlerisch. 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Veränderung, Heterogenität, Wandel und Fortschritt sind Schlüsselbegriffe in Vujić’ unablässigen Suchen nach einer passenden Sprache für ihr künstlerisches Anliegen. Es ist ein Prozess und kein Ereignis, ein kontinuierlicher Fluss und eine Bewegung um das Wesentliche herum, eine ständige Umwandlung dessen, was jetzt geschieht, mit Blick in das, was einmal war. Ana Vujić’ Arbeiten – ob ihre grossformatigen Urban Art Projekte, oder ihre zum Teil nicht weniger grossen Kohlezeichnungen im Atelier – entstehen in diesem Raum der Veränderung. Sie werden durch ihn und in ihm geschaffen, und die Art und Weise, wie sie kommunizieren, beruht darauf. Das steht ausser Frage, denn nicht nur wie sie kommunizieren, sondern was sie zu sagen haben, lebt von der Veränderung, dem permanenten politischen, sozialen, und kulturellen Wandel. 

Veränderung und Wandel sind Vujić’ künstlerisches, aber auch undogmatisches Prinzip. Als Mensch und Künstlerin bewegt sie sich wie selbstverständlich zwischen verschiedenen Welten und Systemen, saugt sie auf und macht sie zu ihrem Thema. Ihren Zeichnungen zeugen von einem konsequenten künstlerischen Weg und einer Balance zwischen dem, was sichtbar ist (Präsenz) und dem, was unausgesprochen bleibt (Abwesenheit). 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Die politische Lesbarkeit von «Vertigo» ist offensichtlich und der starke Gegenwartsbezug ist nicht zu übersehen. Es geht um Freiheit, Flucht, Menschlichkeit und im erweiterten Sinn auch das Anthropozän, die unwiderruflichen Einwirkungen des Menschen auf die Natur. Der politische, soziale und kulturelle Gegenwartsbezug sind thematisch mit Wandel und Veränderung die ausschlaggebenden Komponenten von Vujić’ künstlerischer Arbeit. Im Urban Art und Punk Milieu spielt(e) das genauso einen Rolle, wie in ihren neusten Zeichnungen. Aber was sieht man in ihren neuen Arbeiten? Was ist geblieben, was hat sich verändert? Es entfaltet sich ein komplexes Narrativ, jede schwarz/weiss-Zeichnung erzählt eine eigene Geschichte und doch gehören sie in ein und denselben Erzählband. Mal sind es Kurzgeschichten, mal Gedichte oder Essays. Details drängen sich auf, man versucht, die Bilder zu «lesen», sie zu Geschichten zusammen zu fügen, poetisch, direkt, laut und leise. 

Vujić’ Werke leben von ihrer Vielschichtigkeit und inhaltlichen Komplexität. Sie positioniert sich, bezieht offen Stellung, auch wenn es provoziert. Oder gerade deswegen. Aber was bewegt die Künstlerin, welche Themen treiben sie um, was sind die Schlüsselfragen, um die sich ihre Arbeiten drehen? Das Individuum in einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft, Globalisierung, Digitaliät und Manipulierbarkeit, Flucht, Migration, gesellschaftliche Ungleichheit. Wie wird die eigene Wahrnehmung konstruiert und dekonstruiert, durch Medien, Erfahrungen und Erinnerung? Und immer wieder stellt sie die kritische Reflektion jedes Einzelnen in den Vordergrund. Es bildet sich eine Schicht gemeinsamer, ausgetauschter, unmittelbarer und persönlicher Erfahrungen, die sowohl lang- als auch kurzfristig ihre Wirkung zeigen werden. Der Mensch steht dabei immer im Zentrum. 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Vujić’s Technik bietet sich geradezu dafür an. Ihre Zeichnungen wechseln zwischen fast realistischer Genauigkeit und Präzision bis hin zur skizzenhaften Abstraktion. Besonders in ihren neuen Kohlezeichnungen ist es ihr gelungen, eine einzigartige und individuelle Bildsprache zu schaffen und damit die ihr wichtigen Themen klar heraus zu arbeiten. Während sie vor einigen Jahren noch – stark von der Street Art beeinflusst – die direkte politische Symbolik auch in ihren Atelier-Arbeiten deutlich herausarbeitete, gelingt es ihr in ihren jüngsten Arbeiten, die gesellschaftskritischen Elemente elegant mit (kunst)historischen, literarischen und allegorischen Versatzstücken zu verknüpfen. Das führt aber nicht zur Vernachlässigung oder gar Aufgabe der direkten und fordernden Bildsprache. Im Gegenteil: durch die unterschiedlichen Rezeptionszusammenhänge der Werke im jeweiligen Präsentationskontext und den diametral entgegen gesetzten Entstehungsbedingungen – Strasse vs. «sicherer» Atelierraum – sind bei der Urban Art und den Zeichnungen, die im Atelier oder im Raum entstanden sind, komplett unterschiedliche Bildsprachen notwendig. Sie bedient sich jeweils visuell unterschiedlichem Vokabular, das aufgrund struktureller Notwendigkeiten existiert. Der Akt des Zeichnens ist und bleibt aber das Rückgrat ihres Schaffens; etwas, das sie gewissenhaft und nahezu instinktiv verfolgt. Das Zeichnen hält ihre Arbeit zusammen, und ist der Grundpfeiler ihrer künstlerischen Praxis.

 

 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Zeichnen mit Kohle ist bei Ana Vujić’ Malerei und Zeichnung in Einem. Die Kohle ist ein sehr weiches, malerisches Medium. Sie produziert ein unglaublich tiefes und sanftes Schwarz, bringt aber auch differenzierte und sehr präzise Striche hervor. Alles ist sichtbar, der Prozess ist nachvollziehbar und authentisch, er verzeiht keine Fehler. Das Zeichnen ist in seiner Prozesshaftigkeit sehr persönlich, fast intim. 

Vujić’ Werk präsentiert geheimnisvolle und fantastische Kompositionen. Märchenfiguren, Tiere und Symbole kommen zusammen, und weben die Matrix einer utopischen und träumerischen Welt. Durch bewusste Leerstellen im Bild treffen geometrische, abstrakte Formen auf realistisch gemalte Szenen und lassen den Betrachter*innen genügend inhaltlichen Spielraum.

 

 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Ausdrucksstarke Figuren verweben sich mit architektonischen Formen und Symbolen, die sich mit Identität und der Objektivierung persönlicher Geschichten befassen und gleichzeitig neue Möglichkeiten ihrer Bildsprache erkunden.

Dass die Künstlerin nicht im Kleinen denkt und arbeitet, wird bei einem Atelierbesuch genauso schnell klar, wie wenn man ihr bei der Arbeit an einer Wand im öffentlichen Raum zuschaut. Ihre Zeichnungen nehmen schnell die Dimension einer Wand ein, Personen sind oft lebensgross dargestellt und begegnen den Betrachter*innen auf Augenhöhe. Auch scheut sie nicht vor Serien zurück; in «(Dis)Appearing Acts» erstreckt sich der Prozess des Verschwindens eines weissen Kubus in einer fiktiven Landschaft über 6 Zeichnungen, jede einzelne im Weltformat. Die Sequenz kann sowohl von links nach rechts, als auch von rechts nach links gelesen werden. Der Kubus taucht aus dem Boden auf, oder er verschwindet im Boden. Je nach Perspektive, ein Abbild des Lebens in Zeiten von Stress und Anspannung, das positiv oder negativ gelesen werden kann.

 

 


Re-Arrangement | 2021 | Kohle auf Papier, 5-teilig, 260 x 375 cm

 

Obwohl Vujić’ Zeichnungen gegenständlich und objektbezogen sind, unterwerfen sie sich keiner eindeutigen Lesart. Die Betrachtenden tauchen in nur auf den ersten Blick schlüssige und eindeutige Parallelwelten ein. Dass man sich in einem komplizierten Konstrukt befindet, merkt man erst dann, wenn man sich auf die Ikonografie einlässt. Auch den Figuren begegnet man immer wieder in den Werken wodurch sich das Gefühl von Vertrautheit einstellt. Ob in einem Zimmer oder draussen in einer fiktiven Landschaft, erzählen sie intime und zutiefst persönliche Geschichten, die aber ihre Ambivalenz nicht verstecken. 

Wir befinden uns in Begleitung von Personen, die aus fernen Welten und Zeiten gekommen zu sein scheinen. Sie vermitteln den Eindruck unspektakulärer Normalität. Zeitzonen überschneiden sich und die Figuren bewegen sich frei zwischen ihnen. Da ist ein junges Mädchen, barfuss und in einem einfachen Kleid, die Haare zu einem Knoten gebunden – man sieht sie nur von hinten. Augenscheinlich befindet sie sich in einem Werkraum oder einer Lagerhalle, neugierig um die Ecke schauend. «Alice in www-land» heisst die Arbeit.  

(Dis)Appering Acts | 2020 | Kohle auf Papier, 6-teilig, jeweils 70 x 100 cm

 

In einer anderen Zeichnung, «Memories», liegt ein kleiner Junge in robusten Schuhwerk und mit einer Lederhose bekleidet, schlafend am Boden einer nur mit geometrischen Strichen abstrakt konstruierten Fläche. Um ihn herum erscheint alles in prozesshafter Auflösung. Trümmer von Bildern, Leinwänden oder Rahmen umgeben das Kind. Hinter ihm erscheint ein Gemälde aus einer weissen Wand – oder verschwindet es viellecht? Ist es real, oder existiert es nur im Traum des Jungen. Dargestellt ist eine triste urbane Landschaft mit Wohnblocks; vielleicht osteuropäischer Plattenbau? Auf einer Staffelei steht ein weiteres Bild; zwei Schatten sind zu erkennen, sonst nichts. 

In einer anderen Zeichnung «insomnia» stützt sich eine Frau auf einen Tisch und schläft. Wie Alice trägt auch sie keine Schuhe. Fledermäuse fliegen aus der linken oberen Bildecke bedrohlich in den Vordergrund. 

Erst auf den zweiten Blick wird den Betrachter*innen die narrative Komplexität der einzelnen Szenarien bewusst. In «Alice in www-land» entpuppen sich die Lagerregale als aufgerufene Webseiten; die Apparaturen auf dem Boden im Vordergrund sind das Innenleben einer Festplatte. Das Mädchen Alice befindet sich im World Wide Web und versucht sich zu orientieren. 


Nature Morte | 2021  Kohle auf Papier | 50 x 70 cm

Auch die schlafende Frau in «insomnia» befindet sich vor riesigen geöffneten Webseiten, sie wirken bedrohlich, der Schlaf wie eine Flucht. Bildhintergrund und rechte Bildseite sind von digitaler Symbolik besetzt. Das WWW entpuppt sich als Alptraum. Die Fledermäuse in der linken oberen Bildseite bilden hier den Einstieg in des Rätsels Lösung. 

Was zuvor als «gesellschaftskritische Elemente, (die) elegant mit (kunst)historischen, literarischen und allegorischen Versatzstücken verknüpft» bezeichnet wurde, erlebt in dieser Zeichnung ihre Erfüllung. „Der Schlaf der Vernunft bringt Ungeheuer hervor» von Francisco Goya (1799) stand zweifelsfrei Modell für Vujić’s Arbeit. Goyas Selbstportrait ist nicht nur sein persönliches Manifest als Künstler, seine Vernunft durch den Schlaf getrübt, heimgesucht von Kreaturen, die in der Dunkelheit umherstreifen, sondern sie kann gleichsam als scharfer politischer Kommentar gelesen werden. Der Titel desjenigen Gemäldes, an dem Goya als Künstler zu arbeiten scheint und in dessen Entstehungsprozess er eingeschlafen ist, wird typischerweise als eine Proklamation von Goyas Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung gelesen: Ohne Vernunft herrschen das Böse und die Korruption. Gleichzeitig lässt die Bildunterschrift aber auch eine andere Interpretation zu: „Die von der Vernunft verlassene Vorstellungskraft bringt unmögliche Ungeheuer hervor; mit ihr vereint, ist sie die Mutter der Künste und die Quelle ihrer Wunder“. Goya zelebriert hier also die Vorstellungskraft, die niemals vollständig zugunsten des rein Rationalen aufgegeben werden sollte, da sie (in Verbindung mit der Vernunft) die Grundlage für künstlerisches Arbeiten bildet. 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Einerseits ist es die Vorstellungskraft der Künstler*in, die zweifelsohne seine/ihre künstlerische Praxis beeinflusst, andererseits sind es auch die gesellschaftlichen und politischen Umstände, vor denen er oder sie nicht fliehen kann und will. Im Gegenteil: politische Konflikte bedingen die existentielle Notwendigkeit von Kunst. So sieht es auch Ana Vujić – sie sind die Grundpfeiler ihres Schaffens. Sie arbeitet in der sich bedrohlich verändernden Welt.

Vujić’ Arbeiten sind ganz offensichtlich Politische Kunst mit einem grosse P. Sie hat es immer gegeben und wird es glücklicherweise immer geben. Gerade die schwarz/weiss Zeichnung ist historisch also solche genutzt worden und war prädestiniert für «political commentary» – als Karikatur, Zeitungskommentar oder Flugblatt fungierte sie seither als Kommunikationsmedium. Heute wirkt sie ein wenig aus der Zeit gefallen, entspricht so gar nicht der künstlerischen Sprache im Zeitalter der Digitalisierung in der NFTs. Aber genau das macht ihren Reiz aus – inhaltliche Heterogenität trifft auf scheinbaren kompositorischen und formalen Traditionalismus. Dass dem aber in Vujić’ Werken nicht so ist, wird schnell deutlich.

Thematische Veränderungen – und hier wird der Bogen zu Thema Veränderung geschlagen – gehen mit dem historischen Wandel einher. Konflikte können sich in vielfältigen Facetten zeigen. Sie entstehen und existieren auf zwischenmenschlichen und persönlichen Ebenen, oder aber auch im globalen Rahmen zwischen Kulturen und Religionen. Sie haben sich über die Jahrhunderte, gar Jahrtausende in ihrer Qualität verändert.  Was gleich blieb – sie sind die Grundlage, «the bread and butter» künstlerischer Praxis.

Isabel Balzer

Basel, 15. August 2021


Memories | 2021 | Kohle auf Papier, 70 x 50 cm

Interview mit Ana Vujić

In Deinen Bildern spielen menschliche Figuren eine bedeutende Rolle. Dabei sind sie oft in einer bestimmten Realität gefangen. Versuchen die Charaktere zu entkommen?

Die Auseinandersetzung mit dem Menschen spielt in meiner Arbeit eine zentrale Rolle. Beginne ich ein neues Bild, so zeichne ich immer als erstes die Figur und erst danach entsteht der einbettende Kontext mit Inhalt. Dabei durchschreiten die Charakter AlbTräume realer gesellschaftlicher Gegenwart. Die Werke thematisieren oft Situationen des Umbruchs, die Fragilität des gesellschaftlichen Konstrukts und hinterfragen unsere Rolle als Individuum. Dabei geht es mir weniger darum, reale, bereits gesehene Bilder nachzuzeichnen. Vielmehr handeln die Werke von inneren Bildwelten, die durch eine inhaltliche Abstraktion auch von gegensätzlichen Gefühlswelten erzählen. Vielfach fühlen sich die Figuren in einer beklemmenden Situation gefangen, der sie zu entfliehen versuchen.

 

 


Terrain Vague | exhibition view Gallery Daeppen, August 2021

 

Sind die Werkinhalte von historischen Ereignissen oder von der eigenen Biografie geprägt?

Vielleicht liegt es an meinem Studium in Kunstgeschichte, aber ich habe früh gelernt zwischen dem Werk und dem Kunstschaffenden zu unterscheiden. Es interessieren mich viel mehr global vernetzte Konflikte und Missstände, die unsere Lebensbedingungen bestimmen, als die Aufarbeitung einzelner historischer oder biografischer Ereignisse.

Liest man meinen Nachnamen bevor man die Werke betrachtet, wird der Inhalt oft auf den Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien bezogen. Dabei wird das Klischee, von mir als einer vom Krieg geprägten Person erweckt, was jedoch nicht der Realität entspricht. Ich war zu dieser Zeit in der sicheren Schweiz, wie Du wahrscheinlich auch. In einem solchen „Nest“ zu leben, bedeutet jedoch nicht, die Augen verschliessen zu müssen. Denn die Missstände und der Wohlstand reichen sich oft die Hand.

 


Insomia | 2021 | Kohle auf Papier, 70 x 50 cm

Du malst deine Werke in einer prägnanten Grösse, wieso reicht ein kleines Bildformat nicht?

Mich interessiert es weniger Bilder zu malen, als Situationen und Einblicke in eine Welt zu erschaffen. Indem die Charaktere in einer leichten menschlichen Übergrösse erscheinen, nehmen sie eine stärkere Präsenz ein und können sozusagen auf Augenhöhe mit dem Betrachter kommunizieren. Die Werke erinnern an die frühe Kunst der Wandmalereien, die stets auch etwas Illusionistisches anstrebten. Sie wirken wie eine Art Kulisse, sie sind Kulissen der realen Welt.

 

 


Memories II | 2021 | Kohle auf Papier, 70 x 50 cm

 

Für diese Ausstellung hast du eine grosse Zeichnung mit einem überdimensionalen Schachbrett gemalt, welches durch eine Art Explosion ins Wanken gerät. Aus welcher Motivation ist dieses Werk entstanden?

Ich benütze das Schachbrett als eine Art Metapher für die vorgegebene gesellschaftliche Ordnung. Figuren wie der König oder der Bauer besitzen auf Grund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Position einen anderen Wert. Für mich ist die Sprengung eine symbolische Suche nach einer Umordnung der Gesellschaft, die meines Erachtens zwingend notwendig ist.

Während dem Malprozess habe ich jedoch festgestellt, dass das Bild auch viel über mein Künstlerinnendasein thematisiert. Man ist, gleich wie beim Schachspielen, ständig auf der Suche nach einer Überlebensstrategie. Vieles liegt jedoch nicht in der eigenen Macht, ist unplanbar, und befindet sich in einem ständigen Wandel. Die Positionierung der eigenen künstlerischen Arbeit muss immer wieder von Neuem ausgehandelt werden.

 

 


Alice in www-land | 2021 | Kohle auf Papier, 70 x 50 cm

 

Wie hat sich Deine Arbeit im Laufe der Schaffenszeit verändert?

Von einer plakativen Sprache zur Komplexität und Mehrdeutigkeit, von einem zweidimensionalem Bild zur raumgreifenden Perspektive.

Anstelle von schwarzweiss interessieren mich heute auch Graustufen. 

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