FAITH FADING

Joel Eschbach

The Umbrella Kid ist tot – lang lebe Joel Eschbach!

Während der letzten 6 Jahren hat Joel Eschbach als The Umbrella Kid seine visuelle Sprache entwickelt. Dies war seine künstlerische Jugend.

Fotografie und Skulptur sind für Joel Eschbach Medien, um über die aktuelle Gesellschaft und den Verlust der sozialen Werten zu reflektieren. Seine visuelle Erforschung untersucht das Zusammenspiel zwischen gegensätzlichen, aber uneinander abhängigen Facetten des gleichen Konzepts. Ohne das Böse kann es kein Gutes geben, ohne Dunkelheit, kein Licht.

Joel Eschbach, der selbst ein chaotischer Optimist ist, schafft in seinen Fotos und Objekten Fokus und Klarheit. Er schafft einen Raum, wo er die dunkleren Aspekte des Lebens erforscht. Einen Angriff auf die schleichende Müdigkeit unseres digitalen Zeitalters.

Statt aktive Teilnehmer, werden wir mehr zu passiven Konsumenten der Technologie, die uns emanzipieren sollte. Die Arbeiten von Joel Eschbach sind ein Aufruf zu reagieren. Die Ausstellung Faith Fading schafft eine Pause und verlangt, dass wir uns von unserem Bildschirm entfernen, und dass wir die Flut der digitalen Medien unterbrechen. Dass wir bewerten, was wir noch haben, und was wir verlieren können.





FAITH FADING | exhibition view, October 2013




Neue Arbeiten von Joel Eschbach in der Galerie Guillaume Daeppen

 Basel. Man muss reisen, um solche Gebäude zu finden. Sie sind ein bisschen aus der Mode geraten. Brutalistisch, die Oberflächen geradezu abweisend. Betonbauten sind auf dem Rückzug. Doch wenn sie neu entstehen, dürfte Joel Eschbach sie auf dem Radar haben. Er erkundet sie mit dem Auge des Fotografen und der räumlichen Wahrnehmung eines Skateboarders.

2011 wurde der damals 27-jährige Basler bei der ewz-Selection prämiert. Für seine Schwarz-Weiss-Aufnahmen von Skateboardern vor der Kulisse schroff wirkender Betonarchitektur erhielt er den Fotopreis der Julius-Bär-Stiftung und zudem den Publikumspreis. Die Dynamik und Schwerelosigkeit der jugendlichen Sportler stand im markanten Gegensatz zu den körnigen Fassaden, der klaren, beinahe grafischen Liniensprache der Architektur.

Das bewirkte, dass man die Treppenaufgänge, Rampen und Kanten aller Art als das erkannte, was sie eben auch sind: Möglichkeiten, die Stadt auf eine sehr eigene Art zu erobern. Von den Skateboardern hat Joel Eschbach übernommen, Architektur nicht als eine Guckkastenbühne anzusehen. Man kann auch die Perspektive wechseln.

Zwei Jahre später hat der Basler Fotograf sein Pseudonym „The Umbrella Kid“ abgelegt und zeigt mit „Faith Fading“ erstmals unter seinem eigentlichen Namen in der Galerie Guillaume Daeppen eine Einzelausstellung. Die grossformatigen Abzüge sind immer noch durch die Schwarz-Weiss-Kontraste und die Grauabstufungen bestimmt. Zur formalen Inszenierung ist nun eine inhaltliche hinzugekommen. In „Reign: Regained“ bestimmen die Diagonalen einer Treppe die Fotografie, die durch die Armbewegung einer nackten Frau und vier weissen parallelen Linien aufgenommen werden. Obwohl die Frau, deren schwarzes Haar in einem Zopf in den Rücken fällt, völlig statisch ist, setzt sie das Bild in Bewegung.

Der Autodidakt Eschbach fotografiert analog. Dies zwingt ihn zu einem bedächtigen, kalkulierten Arbeiten. Durch die Linse seiner Kamera gesehen schneidet ein Schattenwurf einen rechten Winkel in zwei gleichschenklige Dreiecke, eine weisse Markierung – oder ist es einfach eine von der Sonne beschienene Kante? – führt diese Gerade parallel weiter. Die dreidimensionale Architektur wird in ihre Idee zerlegt und die ist vom Kubismus und Konstruktivismus beinflusst.

Düsterer Kulturpessimismus

Neuerdings arrangiert Joel Eschbach seine Aufnahmen zu Bildrätseln, in dem er weisse Rahmen, Arme von Schaufensterpuppen, die auch mal eine Vogelpuppe halten, in die Architektur enfügt und abfotografiert. Das hat manchmal Witz, manchmal wirkt es surreal, nicht selten aber in seiner Symbolsprache dick aufgetragen und unterhöhlt so den formal überzeugenden Aufbau seiner Werke. Eschbach lebt in dieser Ausstellung einen düsteren Kulturpessimismus aus. Eine Serie kleinformatiger Fotografien, die von den medienkritischen Schriften von Markus Metz und Georg Seesslen inspiriert wurde, zeigt eine Frau, die von Foto zu Foto stärker in ein Rastersystem eingebunden ist und deren weisse Kleidung immer schwärzer wird. Die elektronischen Meiden, so glaubt Eschbach, führen zum Verlust individueller Freiheit.

Wesentlich stärker ist eine Reihe von Polaroids, in denen Eschbach mit dem Motive zweier Tauben spielt, die sich mal auf dem Display seines Smartphones befinden, mal sich vor dem Hintergrund abheben. Was bleibt, wenn der Glaube schwindet, inszeniert Eschbach in dieser Ausstellung mit theatralischer Geste. „Wo Diktatur Fakt ist Revolution Pflicht“ steht in grossen Lettern in einem Plakatkasten. Auf dem Boden liegen drei Kästen mit weiss umwickelten Äxten, die mit einer Glasplatte abgeschlossen sind. Was man als Anweisung zum Handeln lesen könnte, ist dann doch ein eingesargtes Requisit.

von Annette Hoffmann
in Basler Zeitung vom 15. Oktober 2013






REIGN: REGAINED (EPILOGUE) | 2013 | photo on baryt paper | Edition of 5




Bann, Rätsel und Zauber

Für Notfälle liegt die Axt im Haus unter Glas. Der potenzielle Nutzer müsste es einschlagen, etwa so wie anderswo, um an den Notknopf zum Abschalten zu kommen. Joel Eschbach hat gleich drei Äxte in der Basler Galerie Guillaume Daeppen platziert, in größter Akkuratesse nebeneinander angeordnet und den Ort mit weißen Strichen auf dem Boden markiert. Max Frischs Graf Öderland grüßt. Auf seine Axt herab blickt eine großformatige Plakatbox aus massivem Stahl, die einen einzigen verknappten Satz bewahrt: „Wo Diktatur Fakt ist Revolution Pflicht“. Das muss nicht, kann aber politisch gemeint sein, und lässt sich ebenso auf andere Diktaturen der Konsum- und Informationsgesellschaft anwenden, der Dauervernetzung und -verfügbarkeit.

Zum Werk des 27-jährigen Baslers, der sich zu Beginn seiner Laufbahn The Umbrella Kid nannte, inzwischen aber aus dem eigenen Schatten getreten ist, sind Installationen und Skulpturen erst in zweiter Instanz hinzugekommen. Sein erstes Medium war die analoge, mehrfach preisgekrönte Schwarz-weiß-Fotografie. In einer absoluten, Kasimir Malewtischs Suprematismus nahe kommenden Reduktion auf extreme Klarheit der Form integriert der bekennende Autodidakt anonyme Figuren in Betonlandschaften, die zusammen mit schneidend konturierendem Licht eigene Kompositionen eingehen. „Faith Fading“ (Schicksal Verblassend) heißt die aktuelle knapp bestückte Ausstellung. Sie kommt mit wenigen Arbeiten aus, zieht doch jede lange in Bann.

Annette Mahro
in Badischer Zeitung vom 16. Oktober 2013





BREAKING INFINITY | 2013 | photo on baryt paper | Edition of 5




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WEAPONS OF MASS DESTRUCTION (PROLOGUE): THE NORM | 2013 | photo on paryt paper | Edition of 5







IDIOT MASCHINE (S) | 2013 | photo on gloss paper | Edition of 5







COEXISTENCE | 2013 | steel | 170 x 96 x 19 cm